Interview mit Pastor Siek Postma

Pastor aus Leidenschaft und Mitinitiator der Krummhörner Kirchturm-Tour

Heute ist der 10. August 2022 und wir treffen uns bei tropischen 34 Grad in unserem hübschen, aber auch aufgeheizten Büro in Greetsiel. Nicht einmal die Möwen kreisen bei dieser Hitze über dem anliegenden Abenteuerspielplatz und wir Urostfriesen sind von Tee auf Eistee umgestiegen – schließlich wollen wir unseren Weltrekord von 300 Litern Tee im Jahr auch halten.

Heute vor 38 Jahren war ein ganz besonderer Tag für unseren heutigen Interviewpartner Siek Postma: es ist sein Hochzeitstag! Umso mehr freuen wir uns, dass er sich erst für ein organisatorisches Gespräch zur anstehenden Kirchturm-Tour und anschließend für ein Interview die Zeit nimmt.

Siek Postma ist 1962 in den Niederlanden geboren. Ein Jahr später sind seine Eltern nach Suurhusen bei Emden ausgewandert. Sein Abitur machte er in Emden und wurde mit nur 28 Jahren Pastor in Jennelt, nachdem Jennelt zuvor 80 Jahre vakant war. Er ist verheiratet, hat 5 Kinder und 5 Enkelkinder.

Mittlerweile ist Siek Postma seit 32 Jahren Pastor in Jennelt. Er ist mit einer halben Stelle in Jennelt angestellt, mit einer weiteren halben Stelle ist er für die Blindenarbeit in Ostfriesland tätig und somit auch im Vorstand des Christlichen Blindendienstes Niedersachsen/Bremen. Außerdem gehört ein Kindergarten zur Gemeinde.

Die spätgotische Kirche von 1275 in Jennelt beherbergt eine alte Gruft, in der 13 Menschen bestattet wurden wie z.B. Dodo zu Inn- und Knyphausen, seine Frau Anna von Schade, deren Sohn Enno Adam und dessen Frau Occa Johanna Ripperda, die übrigens den prächtigsten Sarg in der Gruft hat.

Die Orgel aus dem Jahr 1738 ist als einzig erhaltene Orgel des Orgelbauers Johann Friedrich Constabel bekannt. Dazu später mehr!

Wann haben Sie sich entschieden, Theologie zu studieren und warum?

Schon in der 3. Klasse habe ich meinem Religionslehrer auf die Frage, was ich denn einmal werden möchte geantwortet, dass ich Pastor werden will. Mit 12 wusste ich, dass ich Theologie studieren möchte und konnte schon frühzeitig an der Schule Griechisch und Latein belegen, so dass ich zum Studienbeginn schon das große Latinum und das Graecum in der Tasche hatte.

Wie Sind Sie auf die Blindenarbeit gekommen und wie kann man sich die Arbeit mit Blinden vorstellen?

Die Kommunikation mit Blinden ist wie mit Sehenden. Wenn ich eine Mail schreibe, wird diese in Braille-Schrift ausgedruckt oder wir telefonieren. Viermal im Jahr finden Gottesdienste speziell für Blinde statt. Beim Singen wird jede einzelne Strophe erst vorgelesen, dann gesungen, dann wieder eine Strophe vorgelesen usw. Das stockt während des Liedes natürlich immer wieder, aber man gewöhnt sich daran.

Man muss auch bedenken, dass viele erst im Alter blind werden oder stark eingeschränkt sehen. Dann lernt man nicht mehr die Blindenschrift. Ein Mensch, der blind auf die Welt kommt, lernt damit umzugehen. Ein Mensch, der im Alter erblindet, will nur ungern auf Gewohntes verzichten und dann nicht auch noch die Blindenschrift erlernen.

Außerdem erstellen wir regelmäßig das Hörmagazin für Blinde und einmal jährlich fahren wir mit dieser Gruppe nach Borkum.

Als Pastor erlebt man Freud und Leid sehr nah beisammen. Wie geht es Ihnen dabei persönlich – schließlich kennen Sie wahrscheinlich jedes einzelne Gemeindemitglied recht gut?

Ich hatte vor kurzem an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden immer von Samstag auf Sonntag einen Todesfall in der Notfallseelsorge. Erst zwei Unfälle und dann ein Suizid. Dann ist man erst einmal der Blitzableiter/die Klagemauer für die Betroffenen. Das ist dann erst einmal genügend Trauer.

Jetzt sind es mehr Trauungen und Taufen – das stimmt natürlich fröhlicher. Bei der letzten Trauung heiratete eine ehemalige Konfirmandin, mit der ich eine ganz besondere Geschichte habe. Als unsere jüngste Tochter geboren wurde, war ihre Mutter hochschwanger mit uns im Krankenhaus und sie wurde noch am gleichen Tag wie unsere Tochter geboren. So vermischt sich oft Privates und Berufliches!

Welche Instrumente spielen Sie?

Ich spiele Gitarre und Orgel. Bin natürlich ein begeisterter Fan unserer historischen Kirchenorgel, die wir nun glücklicherweise vor 50 Jahren aus dem Dorf Hamswehrum übernommen haben.

Einschub Orgel in Jennelt:

Die Orgel in Jennelt hat eine ganz besondere Geschichte! Vor 150 Jahren kauften die Hamswehrumer diese Orgel von 1738 aus Bargebur. Vor 50 Jahren bekamen die Hamswehrumer eine neue Kirche und sagten: „In so eine schöne neue Kirche passt doch solch eine alte Orgel nicht mehr“, und verkauften die Orgel nach Jennelt. Nun steht dieses Prachtstück in Jennelt! Darüber sind wir natürlich sehr froh!

Wir lernten uns hauptsächlich über die Krummhörner Kirchturm-Tour kennen! Wer kam auf die Idee und wie sind Sie ins Orga-Team für diese außergewöhnliche Radtour durch 19 Krummhörner Dörfer zu 23 Krummhörner Kirchen gekommen?

Durch meine niederländischen Wurzeln lernte ich die „Elfstedentocht“ (Deutsch: Elf-Städte-Tour) kennen. Das ist eine Radtour am Pfingstmontag durch Friesland/NL mit ca. 240 km. Die gibt es auch als Eislauftour, doch da Winter milder werden, findet die nur noch sehr selten statt.

Ich fahre gerne mit dem Fahrrad durch die Krummhörn und dachte, dass man die „Elfstedentocht“ doch auch im kleinen Rahmen in der Krummhörn machen könnte. Die ehrwürdigen Kirchen mit den historischen Orgeln laden ja förmlich zu einem Besuch ein.

Mit dieser Idee bin ich vor einigen Jahren zum damaligen Geschäftsführer der Touristik-GmbH Krummhörn-Greetsiel Ludger Kalkhoff gegangen, ebenfalls passionierter Radfahrer. Er war sofort begeistert und zusammen mit den Mitarbeitern der Touristik-GmbH setzten wir die Idee um und es entstand die erste Krummhörner Kirchturm-Tour. Die Kirchengemeinden sagten alle ihre Mithilfe zu, denn ohne deren Mitarbeit wäre solch eine Tour nicht möglich. Es entstand eine tolle Fahrradtour in enger Zusammenarbeit der Touristik-GmbH  mit den Kirchen und Kirchenmitgliedern. Alle Kirchen haben an dem Tag geöffnet und stellen Getränke, Brötchen etc zur Verfügung. Einige bieten  Führungen und Orgelvorspiele an.

Wie erleben Sie den Tag der Kirchturm-Tour immer am ersten Samstag im September persönlich?

Er ist natürlich mit Arbeit verbunden, aber ich genieße diesen Tag sehr. Es ist schon ein tolles Erlebnis, wenn die vielen Menschen morgens in Jennelt ankommen, der Parkplatz sich füllt und sie sich die Stempelkarte abholen für den Tag. Dann kommen über den Tag verteilt viele Teilnehmer in unsere Kirche, holen sich ihren Stempel, einen Kaffee/Tee und ein Brötchen ab und schlendern dann noch durch die Kirche und die Gruft.

Wenn die Teilnehmer abends zurückkommen von einem Tag voller Erlebnisse und Eindrücke und uns dann erzählen, wie gastfreundlich und nett sie in den einzelnen Kirchen empfangen wurden – das berührt mich schon ganz tief. Anschließend sitzen wir alle beisammen und tauschen uns während der Livemusik von „OHRwurm“ in gemütlicher Runde aus.

Haben Sie noch Ziele für die Zukunft?

Oh ja – ich würde unheimlich gerne einmal in einer Rockband spielen und singen  und gerne wieder mehr mit dem Rad und dem Segelboot, das in Friesland/NL liegt, fahren.

 

Wir bedanken uns für die Zeit und das überaus nette Gespräch und freuen uns auf noch viele gemeinsame Jahre der Zusammenarbeit u.a. mit der Krummhörner Kirchturm-Tour!

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