Interview mit Holger Müller alias Ausbilder Schmidt

in seinem Theater "sehr kleines Haus" in Pilsum

Heute ist Montag, der 30. August 2021. Um elf Uhr habe ich einen Interviewtermin bei Holger Müller alias „Ausbilder Schmidt“ in seinem kleinen Theater in Pilsum. Vom Abenteuerspielplatz neben unserem Büro in Greetsiel  tönt lautes Kinderlachen – ein sicheres Zeichen dafür, dass wir gutes Wetter haben und so mache ich mich gutgelaunt auf den Weg nach Pilsum, wo ich am Ortsrand parke und in Richtung Pilsumer Kreuzkirche laufe. Viele Fahrradfahrer sind unterwegs – einige machen schon die erste Rast und schießen Fotos von dieser einzigartigen Kirche – ich schließe mich an.

Ich laufe weiter vorbei an der „Alten Pilsumer Brauerei“, wo gerade die Sonnenschirme auf der Außenterrasse aufgestellt werden. Schon bin ich angekommen beim „sehr kleines Haus“. „Hallo Ina, komm´ rein! Magst Du noch mitfrühstücken?“, ruft mir Holger fröhlich entgegen. Es riecht verlockend nach Eiern mit Speck, auf dem Tisch liegt ein geschmiertes Butterbrötchen und das Müslischälchen für den gesunden Abschluss wartet auch auf den Verzehr. Dankend lehne ich ab – ist mir doch schon fast eher nach Mittagessen. Aber ein Kaffee geht natürlich immer!

Während Holger die Pfanne gegen den Schokoaufstrich austauscht, stelle ich schon die ersten Fragen – herrlich unkompliziert. So macht ein Interview Spaß!

Kurzinfo:

Holger Müller ist am 13. Februar 1969 in Idar Oberstein geboren, verrichtete 1989 seine Wehrdienstzeit, lernte Industriekaufmann in einem großen Schmuckunternehmen (mit einer Weiterbildung zum Diamanten- und Schmuckgutachter), gründete 1997 mit Freunden die Kleinkunstbühne „Theaterchen“. 1999 schloss er in Köln die „Comedy Schule“ ab. Danach trat er mit der Figur „Ausbilder Schmidt“ in Funk und Fernsehen auf, drehte Kinofilme und nahm CD´s auf, 2006 brachte er sogar ein Buch heraus.

Im Sommer 2009 eröffnete Holger Müller mitten in Ostfriesland seine eigene Kleinkunstbühne „sehr kleines Haus“ in der Ferienregion Krummhörn in Pilsum. Hier finden regelmäßig die Sommer-Comedy-Shows mit „Ausbilder Schmidt“ und vielen Comedystars und Kabarettisten statt, wie z.B. Ingo Oschman, Bademeister Schaluppke etc. Außerdem bietet er gemeinsam mit der Touristik-GmbH Krummhörn-Greetsiel geführte Bustouren an mit anschließender Showeinlage in seinem Theater unter dem Titel „Lachbustouren“ (zu Coronazeiten im theatereigenen Garten). Sein Hauptwohnsitz ist allerdings in Köln, wo er mit seiner Familie im „Speckgürtel“ eher dörflich lebt und von dort zu diversen Auftritten pendelt.

Frage: Du wohnst in Köln und hast Dir in Pilsum Deinen Traum von einem „Haus am Meer“. Bist Du eher ein Stadtmensch oder ein Dorfkind und wie bist Du auf Pilsum gekommen?

Eindeutig Dorfkind! Ich bin in Idar-Oberstein auch recht dörflich aufgewachsen und zog mit 30 nach Köln. Zum Glück gab ein Freund mir mit auf den Weg, dass ich mich vor den Straßenbahnen in Acht nehmen sollte – tauchen die doch plötzlich und unerwartet überall auf.

Krummhörn-Pilsum war ehrlich gesagt reiner Zufall. Der Traum war das „Haus am Meer“! Ich war zufällig in der Region Fehmarn unterwegs und hatte mir dort ein Haus angesehen. Mein Vater fragte damals, warum ich nicht in Ostfriesland suchen würde – über die A31 pendelt man flott von Köln hierher.  Schnell fand ich mein Traumhaus in Pilsum und setzte mich mit dem Makler in Verbindung. Wie sich herausstellte, war es leider gerade verkauft worden. Kurze Zeit später rief er mich an und teilte mir mit, dass der Käufer abgesprungen sei. Dann tat ich etwas, was ich noch nie gemacht habe: Ich sah mir das Haus an und habe es aus dem Bauch heraus per Handschlag gekauft. Das war schon merkwürdig. Es passte alles und irgendwie hat das Haus eher mich ausgesucht als umgekehrt. Mit dem kleinen Anbau hatte ich schon gleich die Idee eines kleinen Theaters – das bot sich ja förmlich an! Nun ist dort Platz für 54 Besucher.

Entstand die Idee zu Deiner Figur „Ausbilder Schmidt“ während Deiner Wehrdienstzeit mit 20?

Ja genau! In meiner „Stube“ habe ich schon damals mit meinen Stubenkameraden im Bundeswehrton herumgealbert und die Vorgesetzten nachgeahmt. Anscheinend recht überzeugend, denn in der Nachbarstube wurden schon die Köpfe eingezogen und sich über den „neuen Ausbilder“ aufgeregt, der da nebenan den „Lauten“ machte. Meine Figur „Ausbilder Schmidt“ war geboren. Für meine ersten Auftritte habe ich mir die Uniform meines Bruders, der Reservist war, ausgeliehen. So trat ich dann als „Ausbilder Schmidt“ auf, obwohl auf der Uniform groß „Müller“ stand.

Frage: Du könntest Säle füllen, spielst aber in Pilsum vor kleinem Publikum. Wo liegt der spezielle Reiz lieber vor 54 Leuten aufzutreten?

Die Mischung macht´s. Ich toure ja immer noch durch Deutschland. Mal trete ich in Berlin bei den „Wühlmäusen“ auf, mal in kleineren Theatern. Durch Corona sind viele Menschen noch unsicher, wollen noch nicht in große Säle, bleiben teilweise doch lieber noch Zuhause. Nun schauen wir positiv in die Zukunft!

Frage: 2010 hast Du die deutschen Truppen in Afghanistan mit Deiner Show besucht. Wie bist Du auf die Idee gekommen und wie geht man solch eine Idee an? Wie reagierten die Soldaten dort auf den „Ausbilder Schmidt“?

Also die Idee dafür kam nicht von mir. Die Bundeswehr, bzw. die „katholischen Soldatenheime“ (bieten Veranstaltungen etc für Soldaten im Einsatz an) kamen auf mich zu und fragten, ob ich dazu bereit wäre, nach El Sharif und Kunduz zu fliegen, um dort für die Soldaten*innen aufzutreten. Da klatscht man nicht sofort in die Hände und sagt „Ja prima, ich wollte immer schon mal in ein Kriegsgebiet fliegen und dort auftreten!“ Aber wenn man schon eine Figur wie „Ausbilder Schmidt“ spielt überlegt man schon, wie man ein wenig Ablenkung in den lebensbedrohlichen Alltag dort bringen kann. So flog ich mit zwei Assistenten der Show erst nach Usbekistan und von dort mit einigen Soldaten*innen mit einer Trans Al nach Mazar-e-Sharif. Schon im Flieger mussten wir Helme und Westen anziehen. Dann ging es im Sturzflug runter, um kein leichtes Abschussziel zu sein und du denkst nur: „Was mache ich hier? Ich bin Komiker!“ Von Mazar-e- Sharif flogen wir nach Kunduz. Ich hatte einige Auftritte und die Besucher waren alle sehr dankbar für ein wenig Abwechslung und Unterstützung aus dem Heimatland. Noch heute besuchen ehemalige Soldaten*innen meine Shows und erzählen von ihren Einsätzen dort, in denen viel Gutes bewegt wurde. Afghanistan ist wirklich ein wunderschönes Land und unter anderen Umständen wäre es sicherlich ein tolles Reiseziel!

Frage: Mittlerweile hast Du eine Familie – wo siehst Du Dich/Euch in 20 Jahren? Welche Pläne und Ideen hast Du für die Zukunft?

Ich denke, meine beiden Töchter, die sich auch in Pilsum sehr wohl fühlen, gehen bis dahin eigene Wege. Ich versuche erst einmal gesund 70 zu werden – ist ja heute auch nicht selbstverständlich! Gerne toure ich noch ein paar Jahre durch Deutschlands Theater und bin nun erst einmal froh, die Pandemie weitestgehend gut überstanden zu haben. Wenn ich nicht mehr so viel toure, sehe ich unseren Lebensmittelpunkt schon hier in Pilsum. Große Projekte habe ich nicht mehr. Ideen für tolle Angebote, wie z.B. einen „Comedy Urlaub“, in dem ich Seminare anbieten möchte mit Ausflügen in die schöne Umgebung und gemeinsamem Essen mit Auftritten auf der Bühne in meinem Theater oder einer „kulinarischen Reise“ per Bus oder Rad durch Ostfriesland mit 7 Köstlichkeiten. Diese Ideen würde ich gerne in der nächsten Zeit konkret ausarbeiten.

Viele Comedy-Kollegen sind schon im „sehr kleines Haus“ in Pilsum aufgetreten. Wer war Dein bekanntester Gast?

Luke Mockridge! Er gehört allerdings auch schon zu einer anderen Generation und hat – wie viele von uns – bei „Night Wash“ angefangen. Dort ist Luke dann recht schnell vom Praktikanten zum Moderator aufgestiegen. Der ist schon richtig gut! Aber auch Maxi Gstettenbauer und viele andere bekannte Komiker und Kabarettisten waren schon in Pilsum.

Frage: Sind Dir schon lustige Pannen während Deiner Shows passiert?

Oh ja – ich habe zum Auftakt meiner Show oft ein paar kleine Zaubertricks vorgeführt. Dafür kam jemand aus dem Publikum auf die Bühne, der einen Stift (den ich schnell hinter das Ohr klemmen wollte) zwischen Zeigefinger und Daumen fangen sollte. Als ich ihn bat, die Hand zu heben und Daumen und Zeigefinger zu spreizen, sah ich mit Schrecken, dass er keinen Daumen mehr hatte.

Dann hatte ich mal während einer Lachbustour jemanden im Bus, der direkt die Augen schloss. Während ich übers Mikro alles gab und irgendwann auch sagte, dass hier ein Besucher wohl dringend etwas Schlaf nachholen wolle, sah ich beim Aussteigen, dass dieser Mann blind war!

Welche aktuelle Quizsendung würdest Du gerne übernehmen oder wo würdest Du gerne noch einmal auftreten?

Ich habe eigentlich keinen Drang mehr, dermaßen im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Gerade als polarisierende Figur wie „Ausbilder Schmidt“ ist es heute nicht ganz einfach. Ich freue mich über die vielen kleinen Theaterauftritte. Mein Traum ist es, irgendwann nur noch hier in Pilsum das Theater zu betreiben. Aber wenn ich mir eine TV-Sendung aussuchen müsste, würde ich eine Late-Night-Show nehmen.

Wie sieht es bei Dir mit der ostfriesischen Küche aus? Bist Du eher der Typ „Mehlpüt mit Vanillesoße“ oder eher „Snirtje Braa mit Tuffels un Schnippelbohnen“? Kochst Du auch mal selber?

Ja, ich koche auch mal selber, aber die Anzahl der Gerichte hält sich in Grenzen. Zum Glück ist direkt neben meinem Theater ein sehr gutes Restaurant, die viele hiesige Gerichte anbieten und ich dort auch oft Speisen teste, die ich unter normalen Umständen niemals gegessen hätte.

Mittlerweile hat auch Holger sein Frühstück beendet und beantwortet meine Fragen, während er sein Geschirr wegräumt. Nun möchte ich mir natürlich noch schnell seine neue Lüftungsanlage im Theater ansehen, mit der nun ein ständiger Luftaustausch möglich ist.

Manchmal bekommt man als Comedian auch tolle Geschenke von seinen Gästen. Das aktuellste muss er mir natürlich noch zeigen. Das möchten wir Euch nicht vorenthalten: Einen gehäkelten Pilsumer Leuchtturm am Band: Sehr kreativ! Wo der sein verdientes Plätzchen findet? Überzeugen Sie sich selbst bei einem Besuch im „sehr kleines Haus“. Wir sind sehr froh, dass Holger in unserer Ferienregion seinen Platz gefunden hat und bedanken uns für das humorvolle Interview!

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