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Interview mit Doris Voß

Gästeführerin in der Krummhörn

Heute freue ich mich auf ein Interview bei  meiner ganz außergewöhnlichen Kollegin Doris Voß. Doris ist eigentlich gelernte Zahnarzthelferin, aber mittlerweile der Kopf der Gästeführerinnen in der Krummhörn.  Für das Interview  darf ich zu Doris nach Pewsum kommen, aber das Wetter meint es nicht gut. Plötzlicher Eisregen setzt gerade dann ein, als ich in Greetsiel losfahren will. Ich schaue aus dem Dachfenster des Büros und sehe, wie die Kunden vom gegenüberliegenden Supermarkt die Einkaufswagen als Rollator nutzen. Alle Dachpfannen unseres Büros sind von einer zentimeterdicken Eisschicht überzogen und das niedliche Friesenhäuschen mit seinen grünen Fensterläden gleicht schnell einem Zuckerhäuschen, nur die Hexe fehlt...die fährt gleich für ein Interview nach Pewsum.

Eigentlich braucht man von Greetsiel nach Pewsum keine 10 Minuten - heute hat die Meyer-Werft ein Kreuzfahrtschiff gebaut während meiner langen Fahrtzeit (das ist übrigens die humorvolle Zeitrechnung unseres Geschäftsführers Herrn Kalkhoff, wenn etwas länger dauert als eingeplant).

Endlich angekommen "schliddere" ich bis vor Doris´ Haustür und wir begrüßen uns herzlich. Bei einem  Kaffee erzählt sie mir von ihrer Odyssee der letzten Jahre:  Vor einigen Jahren wurde ihr Mann, der in Emden bei einem großen Autohersteller arbeitet, in die USA berufen und die ganze Familie fuhr natürlich mit. Über sechs Jahre blieben sie dort und Doris absolvierte sogar noch ihr High-School-Diplom, damit sie dort arbeiten durfte, was sie u.a. lange Zeit in einem  "Ronald-Mc-Donald-Haus" ehrenamtlich tat (bieten Familien schwerkranker Kinder in Kliniknähe eine Unterkunft).  2017 kehrten sie (zum Glück) zurück nach Deutschland. Welcome Home!

Für eine Gruppe, die eine Ortsführung durch Greetsiel gebucht hatte, suchten wir eine englische Simultanübersetzerin und meine Kollegin Nicole Ukena machte spontan den Vorschlag, eine Freundin zu fragen, die gerade aus den Staaten zurück sei... Gesagt, getan! Doris war Feuer und Flamme und fragte, was sie tun müsste, um selbst Führungen anbieten zu dürfen.

So absolvierte sie in 135 Lehrstunden den "Gästeführer mit Stern" und erarbeitete quasi als Abschlussarbeit und in Zusammenarbeit mit der Touristik-GmbH die inszenierte Kostümführung "Daje - ein Leben hinter dem Deich", die mittlerweile sehr gut von unseren Gäste angenommen wird. Dabei schlüpft sie in die Rolle von Daje (in ein speziell für Sie nach alten Vorlagen angefertigtes Kostüm) aus dem 18. Jahrhundert,  empfängt die Teilnehmer als Kaufleute aus Hamburg und erzählt und zeigt Greetsiel, als hätte man eine Zeitreise gemacht. Dabei ist sie anscheinend so authentisch, dass Gäste sie schonmal nach Bewohnern aus ihrem fiktiven Geburtsort fragten.  Zum Abschluss nehmen alle Teilnehmer an einer ostfriesischen Teezeremonie teil, die Daje beschreibt und erklärt, damit die Sahne nicht einfach in den Tee gekippt wird, sondern eine Wolke, die "Wulkje", entsteht.

Unser beliebtes "Zweites Eheversprechen" hat Doris erst vertretungsweise übernommen und wechselt sich nun mit unserem Festredner Heinz Richter ab. Die Eheversprechen machen sehr viel Spaß, auch wenn man für die individuelle Festrede nicht nur die schönen Erlebnisse einarbeiten muss, sondern auch die Schicksalsschläge, die einige Paare überstanden haben. Doch immer herrscht auf dem Kutter, im Pilsumer Leuchtturm oder in eine unserer Mühlen, wo die Eheversprechen stattfinden, eine überaus lockere und fröhliche Atmosphäre.

Was hast Du für Dein Leben und Deine Lebensart "mitgenommen" aus Deiner Zeit in den Staaten?

Oh - sehr viel! Wir haben im Süden der USA gelebt. Wie die Menschen dort miteinander umgehen, und wieviele Menschen es dort noch gibt, die ehrenamtlich arbeiten, ist schontoll. Aber auch der freundliche (und gar nicht so oberflächliche) Umgang untereinander ist bemerkenswert. Da wird schnell und gern ein Kompliment ausgesprochen und auch so gemeint. Aber auch das große und weite Land mit der phantastischen Natur waren sehr beeidruckend. Dort ist für uns der Wunsch nach einem Häuschen am Wasser mit einem Boot geboren, das wir hier in Ostfriesland gern in die Tat umsetzen wollen. Die Gegebenheiten sind hier ja ähnlich: Die Natur, die Weite und das Wasser!

Du hast schon viele Menschen durch die Krummhörner Dörfer - meist Greetsiel und Rysum - geführt. Wo würdest Du gerne einmal eine ganz neue Führung anbieten?

Das ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn alle Dörfer der Krummhörn haben einen ganz besonderen Reiz. Pewsum - als größtes Dorf der Gemeinde - bietet für eine neue Führung in einer außergewöhnlichen Tracht jedoch alles. Von dem urigen, neuen Rathaus über die Mühle und die Manningaburg bietet Pewsum alles für eine umfangreiche Ortsführung!

Ist es möglich, als gehandicapter Mensch an den Ortsführungen teilzunehmen? Worauf musst Du besonders achten?

Wenn eine große Reisegruppe mit dem Bus anreist, teilen wir die Gruppe meist auf zwei Ortsführer auf: Wir fragen vorab, was die Gruppe auf jeden Fall sehen möchte. Dabei ist es meist so, dass eine Gruppe in kurzer Zeit alles sehen möchte und eine Gruppe als erstes die öffentlichen Toiletten "begutachtet". So stellt man sich immer auf die Bedürfnisse der Gäste ein. Auch per Rollstuhl haben Gäste schon oft an einer Ortsführung durch das Fischerdorf Greetsiel teilgenommen. Sehgeschädigte Menschen in Begleitung waren ebenfalls schon oft dabei. Nur für gehörlose Menschen wird es schwierig, da wir keine Gästeführer haben, die der Gebärdensprache mächtig sind.

Was hast Du für lustige Erinnerungen in den letzten Jahren bei den Eheversprechen und den Führungen gemacht?

Och da gibt es wirkliche einige, wie z.B. ein Eheversprechen auf dem Kutter von Ubbo. Für ein Foto wurde dann schon mal die "Titanic" nachgeahmt, was auf einem Fischkutter schon lustig aussah, aber die Eheleute waren sehr humorvoll und machten jeden Spaß mit. Oder als ich bei einer Daje-Führung in der Greetsieler Kirche gesungen habe, standen plötzlich alle 20 Männer auf und sagten: "Jetzt haben sie so schön für uns gesungen - nun singen wir für sie!" Die Gruppe war ein großer Männergesangsverein aus München und nun saß ich ganz allein in einer der Kirchenbänke und mir wurde ein vierstimmges Ständchen gesungen. Das war schon ein ganz besonderes Erlebnis!

Habt Ihr noch ganz neue Ideen für Führungen oder Veranstaltungen?

Ja - wir würden gerne eine kulinarische Führung durch Greetsiel anbieten. Das Konzept steht schon. Auch eine Nachtwanderung speziell für Kinder ist fertig ausgearbeitet. Nun warten wir nur noch darauf, dass unsere Gäste wiederkommen dürfen!

Wo wir bei Kulinarik sind: Kochst Du auch typisch ostfriesische Gerichte und hast Du Sitten und Bräuche aus den Staaten mitgebracht? Wie fanden Deine dortigen Nachbarn die ostfriesischen Sitten?

Die Menschen dort fanden eine ostfriesische Teezeremonie ganz toll und waren immer hellauf begeistert, wenn ich das ostfriesische Geschirr und den Kluntje auf den Tisch stellte.

Hätte wir uns dem amerikanischen Essen angepasst, würde ich heute nicht in das Daje-Kostüm passen. Daher habe ich immer selbst gekocht. Grünkohl und Speckendicken sind allerdings nicht so häufig auf unserem Speiseplan.

Schlusswort

Vielen Dank liebe Doris für diesen netten Plausch und Deine Zeit, es war sehr nett und kurzweilig bei Dir! Wir hoffen auch im Namen unserer Gäste, dass Du noch viele Jahre unsere Führungen und Eheversprechen übernimmst sowie die Organisation der Gästeführerinnen beibehältst.