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Interview mit Christine Schmidt

Geschäftsführerin der Ländlichen Akademie Krummhörn-Hinte

Heute fahre ich bei strahlendem Sonnenschein für ein neues Interview in die schöne Hafenstadt Emden. Dort treffe ich mich mit der Geschäftsführerin der „Ländlichen Akademie Krummhörn-Hinte“ Christine Schmidt in ihrer privaten Wohnung direkt beim „Pelzerhaus“ in Emden.
Während der Fahrt durch die Innenstadt Emdens fahre ich entlang des Delftes direkt an dem riesigen alten Emder Rathaus vorbei, indem sich heute das Landesmuseum befindet: Was haben wir uns als Schüler*innen vor der dort befindlichen „Moorleiche“ gegruselt, die natürlich immer als Erstes angesteuert wurde!
Schon von weitem leuchtet das Museum-Feuerschiff „Amrumbank/Deutsche Bucht“ im knalligen Rot, das mit dem Rathaus im Hintergrund immer einen gelungenen Urlaubsschnappschuss gibt. Dann springt mir auch schon fast ein Ottifant ins Auto, als ich das von dem Komiker Otto Waalkes gegründete „Otto-Huus“ passiere. Und schon bin ich gedanklich wieder bei unserem Pilsumer Leuchtturm oder auch Otto- oder Lükko-Turm. Da ist bestimmt bald wieder jede Menge los. Lange war es ruhig in der ganzen Ferienregion Krummhörn-Greetsiel, doch nun scheint ein Ende der Katastrophe in Sicht und wir freuen uns auf viele Gäste und Besucher*innen, die unsere Heimat fast ebenso lieben, wie wir – und wir teilen gerne! Aber nun habe ich mein Ziel erreicht und freue mich darauf, endlich Christine Schmidt kennenlernen zu dürfen.
Ich bin zu früh – zum Glück, wie wir später feststellen, denn es gibt so viel zu erzählen! Fröhlich öffnet sie mir die Tür und weist mir den Weg nach oben. Unten steht ein Klavier im Flur und oben glänzt mir ein Saxophon entgegen, daneben steht eine Gitarre  –  hätte mich auch gewundert, wenn ich bei Frau Schmidt nicht mindestens zwei Instrumente entdeckt hätte.
Frau Schmidt setzt sich auf das „rote Sofa“ wie beim NDR und ich nehme den großen Tisch mit meinen Fragebögen ein.

Doch vorweg - was ist eigentlich die "LAK"?
"Als gemeinnütziger Verein verfolgt die Ländliche Akademie Krummhörn-Hinte seit mittlerweile über 35 Jahren engagiert das Ziel, in der hiesigen Region die Kulturlandschaft Ostfrieslands mitzugestalten und zu bereichern. Mit einem Angebot aus zahlreichen Bereichen künstlerischer und kreativ-handwerklicher Ausdrucksformen und der Präsentation von spannenden Veranstaltungen." (Zitat der Website der LAK)
Es gibt verschiede Angebote, wie z.B. die Blechbläser, Blockflöten, Gitarre, Cajon, Handglocken,  Schlagzeug, Keyboard und Chorgruppen sowie Malerei, Theater und die Holzwerkstatt - eben ein rundum vielseitiger Verein, in dem der Spaß im Vordergrund steht!

Seit vielen Jahren arbeitet auch die Touristik GmbH Krummhörn-Greetsiel mit der LAK zusammen. So wurden beispielsweise die Gästebegrüßungsabende mit Musikgruppen der LAK musikalisch begleitet. Zurzeit wird in Zusammenarbeit zwischen der Touristik GmbH und der LAK eine kurze Vertonung von Lükko Leuchtturm Geschichten erabeitet, ferner ist die Idee zur Erzähltheater-Reihe „Dörfer erzählen Geschichten“ und auch die Mitfinanzierung u.a. in Zusammenarbeit mit der Touristik GmbH gelaufen. Diese wirklich tolle Kultur-Reihe gibt es bis heute, wird laufend erweitert und gehört zum alljährlichen Veranstaltungsprogramm für die Gäste in unserer Ferienregion. Viele Angebote der LAK werden seitens der Touristik  GmbH im Rahmen der Möglichkeiten auch weiterhin gerne begleitet  und unterstützt.

Seit über 35 Jahren gibt es die Ländliche Akademie Krummhörn-Hinte“. Seit wann sind Sie dabei und was haben Sie vorher beruflich gemacht?

Ich begann 2008 als Projektmanagerin bei der LAK. Vorher habe ich eine Ausbildung bei der Thyssen Nordseewerke GmbH gemacht, weil meine Eltern es so wünschten. Da ich schon lange bei der „Friesenbühne“ Theater gespielt habe, wollte ich beruflich lieber etwas in diese Richtung einschlagen, aber „brotlose Kunst“ studieren wurde mir schnell ausgeredet. Nach meiner Ausbildung studierte ich BWL und arbeitete in verschiedenen Betrieben in der Buchhaltung und danach an verschiedenen Forschungsprojekten, u.a. mit den Universitäten in Barcelona, Manchester und Venedig. Der Schritt 2008 vom Management in der freien, gewinnorientierten Bildungs-Wirtschaft in das kulturelle Vereinsleben der LAK war schon ungewöhnlich. Plötzlich stand der „Spaß“ der Mitglieder im Vordergrund –  trotzdem musste das Ganze selbstverständlich auch finanziert werden.
Endlich konnte ich sowohl meine künstlerische Ader, als auch meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse einsetzen. Bis heute habe ich immer neue Finanzierungsmöglichkeiten gefunden über diverse Projekte. Wir sind jedem Förderer der LAK sehr dankbar!

Sie sind Mutter von 3 Kindern im Alter von 35 und Zwillingen von 26 Jahren. Haben ihre Kinder immer mit Begeisterung bei Projekten der LAK mitgewirkt?

Oh ja – das haben sie. Mein Sohn Mattis spielt in vielen Projekten eigene Stücke am Klavier, heute studiert er Musik auf Lehramt und will anschließend noch weiter Musik studieren, der Älteste ist Bankfachwirt und hat schon bei der LAK Theater gespielt, meine Tochter hat schon in verschiedenen Sparten gearbeitet und auch sie war bei Theaterstücken der LAK dabei. So haben alle Kinder einen Teil von meinem beruflichen Werdegang übernommen und sind dennoch alle auch künstlerisch aktiv.

Wo lag der Schwerpunkt der LAK bei der Gründung 1982 und wo liegt dieser heute?

1982 herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit in dieser Region, viele Jugendliche lebten in der Krummhörn ziemlich abgeschieden und hatten vor Ort keine bis wenig Perspektiven. Zusammen mit dem Arbeitsamt entwickelte die LAK diverse Projekte, wie z.B. die Holzwerkstatt. Künstlerisch kamen dann auch Musik- und Theaterprojekte dazu. Man wollte Bildungsperspektiven, Kunst und Kultur anbieten. Explosionsartig wurden die Angebote angenommen und so erlangte die LAK bald hohes Ansehen mit vielen Mitgliedern in verschiedenen Sparten. Die LAK hat die Jugendlichen damals quasi „von der Straße“ geholt.
Heute ist das Angebot insgesamt auf dem Markt dank des Internets und der guten Infrastruktur sehr viel größer. In der LAK sind es durch den demografischen Wandel inzwischen mehr Erwachsene, die unsere Projekte mit Leben füllen. Dabei sind die Projekte meist zeitlich begrenzt. Dies entspricht dem Trend der Zeit, dass sich niemand auf Jahre an ein Projekt oder einen Verein binden möchte.

Aus meiner Jugend erinnere ich mich an die diversen Musicals der LAK. Musikalische und schauspielerische Glanzleistungen wurden uns dargeboten während ich immer noch ein paar Akkorde auf der Gitarre einübte. Wie funktionierte so etwas?

Nach dem Motto: Jekami (Jeder kann mitmachen) schlossen sich viele den unterschiedlichsten Gruppen an. Da wurde aus heutiger Sicht auch mal etwas mehr abverlangt, als man es aktuell vielleicht tun würde. Proben wurden mehrfach pro Woche angesetzt und da das Freizeitprogramm vor Ort sowieso recht übersichtlich war, haben viele Menschen viel Zeit und Ehrenamt in die Gruppen investiert. Heute ist auch hier ein großer Wandel spürbar.

Die Auswanderung vieler Ostfriesen nach Iowa/USA war Thema eines fantastischen Musicals „Achter de Sün an“. Warum werden diese heute nicht noch einmal aufgeführt mit neuer Besetzung?

Leider ist dies aus verschiedenen Gründen schwierig. Zum einen sind die Urheberrechte der Autoren nur für das eine Projekt genehmigt worden. Von vielen Musicals, die damals geschrieben wurden, fehlen uns die Ansprechpartner und auch viele Musikgruppen von damals gibt es gar nicht mehr. Außerdem sollen Projekte, die förderungswürdig sind, neue Ideen verfolgen, innovative Methoden erproben und keine Wiederholung darstellen. Es wäre folglich schwierig, die Finanzierung für eine neuerliche Umsetzung zu bekommen. Für die Urheberrechte gilt bei den aktuellen Musicals, dass ich sie selbst geschrieben habe und da liegen die Rechte natürlich bei uns!

Arbeiten Sie neben den Schulen, den Gemeinden Krummhörn und Hinte sowie uns als Touristik-GmbH Krummhörn-Greetsiel noch mit anderen Institutionen zusammen, wie z.B. der „Kunsthalle Emden“, „Weltklassik am Klavier“ oder der „Landkultur Freepsum“?

Partiell ja – das hängt von den jeweiligen Projekten ab. Wir suchen immer Schnittmengen zu unseren Projekten. So haben wir schon mit der Malschule der Kunsthalle und auch den Freepsumern zusammengearbeitet. "Weltklassik am Klavier“ arbeitet mit professionellen Künstlern, wir mit Laienkünstlern. Da wird eine Zusammenarbeit schwierig, zumal wir natürlich keine Künstlerhonorare zahlen können. Frau Haarstick von Weltklassik am Klavier hat einmal ein nettes Interview mit mir gemacht. Das war eine schöne Erfahrung!

Welche Projekte haben Sie für die Zukunft geplant?

Mit einigen Jugendlichen haben wir ein Literaturprojekt ausgearbeitet mit klassischer Gruselliteratur, die Lesungen der „Gruselgeschichte“ werden demnächst anlaufen. Dafür haben wir über die hiesige Presse und unserer Sendung über „Radio Ostfriesland“ Interessierte gesucht. Genauso liefen die Vorbereitungen für das Hörspiel der „Nachteule“, wo sich mehr Jugendliche gemeldet haben zwischen 12 und 20 Jahren, als Rollen vorhanden waren. Wir haben dann noch ein paar Rollen eingefügt, damit alle mitmachen konnten.
Außerdem arbeiten wir zurzeit an dem Projekt „art for atmosphere“, in dem Künstler*innen ihre Kunst zum Thema Klima in zwei Bedeutungen präsentieren. Einerseits für eine Verbesserung des zwischenmenschlichen Klimas, wie aber auch für einen respektvollen Umgang mit der Natur. Zu diesem Thema haben Kinder: „Kinder malen fürs Klima“ tolle Werke erstellt, die im Pewsumer Rathaus ab dem 12. Mai 2021 zu besichtigen sind. In Aurich, der Kirche in Pewsum und in ca. 150 Gärten von Greetsiel bis Groningen ist eine Ausstellung geplant zu „art for atmosphere“. Mehr Infos unter artforatmosphere.net
Auch zu der Reihe „Dörfer erzählen Geschichten“ gibt es neue Ideen. So soll bald ein Film gedreht werden zu „Katharina erzählt die Burg Pewsum“.  Im Steinhaus in Greetsiel gehen weitere Geschichten an den Start.
Gefördert vom Bundesinnenministerium (Frau Schmidt hat ein Theaterstück geschrieben, die Fördermittel dafür eingefordert und sogar noch den Zuschlag erhalten) wird es bald ein Theaterstück geben zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, das das Leben von Max Windmüller (*1920, gestorben 1945) bearbeitet.  Der in Emden geborene Widerstandskämpfer wurde leider nur 25 Jahre alt. Er verhalf vielen jüdischen Kindern und Jugendlichen zur Flucht verhalf und rettete ihnen somit das Leben.

Fakten über die Ländlichen Akademie Krummhörn-Hinte

Zur Geschichte der LAK

  • Gibt es seit über 35 Jahren seit 1982 mit zurzeit 500 Mitgliedern
  • Seit 2015 mit Hinte durch den Zusammenschluss der beiden IGS Schulen
  • Lebendiges Brauchtum
  • Kurse für moderne Musikgruppen
  • Einradkurse
  • Theater Workshops
  • Einzel- und Gruppenunterricht
  • Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene
  • Förderung der Fähigkeiten, Begegnung der Menschen
  • 150 Menschen in Projekten aktiv

Demographischer Wandel hier stark zu spüren:

  • 1982 war die Aufteilung noch 1/3 Erwachsene, 2/3 Kinder und Jugendliche
  • Heute: 1/3 Kinder und Jugendliche und 2/3 Erwachsene

Finanzierung:

  • Gesamthaushalt: 200.000,00 €
  • Ein Teil wird gefördert durch die Gemeinden, diverse Projekte über Fördergelder
  • Mitgliedsbeiträge: 10,00 € pro Monat
  • Bei 500 Mitgliedern á 120,00 € pro Jahr = 60.000,00 €