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Landwirtschaftsmuseum Campen

Interview mit Martin Busker und Max Lohmann

Endlich wieder ein Interview führen für unseren Blog! Fröhlich fahre ich heute in mein Heimatdorf nach Campen ins Landwirtschaftsmuseum. Dort habe ich einen Termin mit zwei ganz außergewöhnlichen Menschen in uriger Atmosphäre – doch dazu später!

 

Von Emden kommend fahre ich über Rysum und Loquard die Krummhörner Landstraße entlang und sehe schon von weitem die ersten landwirtschaftlichen Geräte vor der Remise auf der linken Seite. Rechts stehen die beiden herrlichen Gulfhöfe Heikens und Ohling, die heute das Herzstück des Landwirtschaftsmuseums bilden.

 

 

 

Das Ostfriesische Landwirtschaftsmuseum präsentiert in zwei historischen Gulfhöfen, einem Landarbeiterhaus und auf den Außenanlagen mehr als 600 Exponate zur Geschichte der Landwirtschaft in Ostfriesland.

Angebot

  • Museum in zwei originalen Gulfhof-Scheunen
  • Große Ausstellung historischer Landmaschinen auf 2.200 qm
  • Ein Landarbeiterhaus zeigt, wie die Arbeiter damals lebten
  • Wöchentliche Führungen zur Geschichte der Landwirtschaft in Ostfriesland mit anschl. Teezeremonie
  • Museumsshop mit hochwertigem Emailgeschirr & Spielzeugen
  • Regelmäßige Aktionstage & Veranstaltungen, jährlich ca 10.000 Besucher

 

Auf der Suche nach Martin und Max laufe ich durch die offene Tür immer den Stimmen nach…. und lande in der Werkstatt, in der sich gerade 3 aktive Mitglieder des Vereins „Museumsfrünnen Campen e.V.“ um einen abgängigen Treckerreifen kümmern, der wieder mobil gemacht werden soll. Es herrscht eine gemütliche Stimmung und bei der Frage, wo ich Herrn Busker und Herrn Lohmann finde, begleitet mich einer der Herren mit der Teetasse in der Hand in den Verkaufsraum.

Schnell ist man beim „DU“ und so kommen wir flott ins Gespräch. Wir beginnen mit einem Rundgang durch das Museum, das nicht nur für Treckerfreunde eine wahre Fundgrube darstellt. Vor gar nicht allzu langer Zeit, wurden in der Landwirtschaft noch Pferde, Kutschen, Pflüge oder nur der Mensch eingesetzt, um den Acker zu bewirtschaften. Diverse Geräte und Hilfsmittel aus etlichen Jahrzehnten zeigen, wie mühselig es war, Weizen, Kartoffeln und Co. zu pflanzen und zu ernten.

Während wir unten im Gulf des Museums stehen, hört man oben jemanden schmieden und es leuchtet rot auf, wo das Metall bearbeitet wird. Ich gucke erstaunt nach oben und Martin sagt verschmitzt: „Unser Praktikant!“ Um dem Museum mehr Leben einzuhauchen, wurden mehrfach mediale Effekte eingebaut. Da gackern digitale Hühner im Stall oder scharren unruhige Holzpferde mit den Hufen. Kinder können sich Geschichten zu den „Stallpferden“ anhören und auch das grunzende imaginäre Schwein hat eine Geschichte zu erzählen. Die hauseigene Eule nistet daher auch eher im Router als im Nest zum Schutz der vielen Trecker und anderen Ausstellungsstücke, die in den letzten Jahren sehr unter den „Toilettengängen“ der Vögel zu leiden hatten.

"Echte" Tiere wären schon ein Traum, bringen aber viel Verantwortung mit sich. Vielleicht wird es mal Hühner und Gänse hier geben, aber mehr Tiere benötigen mehr Angestellte, um den Tieren auch gerecht zu werden und diese artgerecht zu halten. So sind wir mit den virtuellen Tieren erst einmal zufrieden.

Im Anschluss an den eindrucksvollen Rundgang setzen wir uns in die gemütliche Teestube, in der auch die Teilnehmer der regelmäßigen Museumsführung eine schöne ostfriesische Teezeremonie genießen dürfen. Hier stehen u.a. alte Bauernschränke, teils gespendet, teils geliehen. Aus einem uralten Radio kommt noch ältere Musik – eigentlich unverschämt, dass sich auch permanent das neumodische Handy der beiden vielbeschäftigten Herren mit dem Ankommen einer Nachricht bemerkbar macht.

Sie kommen beide aus Berlin, Herr Busker gebürtig aus Campen/Emden. Aus welchem Anlass kamen Sie zurück nach Campen und wo leben und wohnen Sie jetzt?

Ich habe meine Wurzeln in Campen, bin in Emden aufgewachsen und bin nun Filmregisseur, war also mal hier - mal dort Zuhause, Max Lohmann arbeitet in der Architektur: ihren Hauptwohnsitz hatten sie in Berlin, haben sich in Köln kennengelernt. Für die Renovierung des großelterlichen Hauses von Martin Busker kamen beide 2019 nach Campen. Corona kam, die Renovierung zog sich hin – so blieb man länger in Campen als gedacht (und fühlte sich wohler in Campen als gedacht!). Die Digitalisierung macht es möglich und so werden Castings und Vorgespräche nun via VPN-Tunnel und Zoomsitzung erledigt. So bleibt mehr Zeit für das Museum!

Was hat Sie bewogen, sich des Agrarmuseums anzunehmen? Wie wurde der erste Kontakt hergestellt?

Wir haben schnell festgestellt, dass Campen ein sehr lebenswerter Ort ist. Durch Corona konnte das Ferienhaus nicht wie geplant vermietet werden und so blieben wir länger als gedacht. Schnell bemerkten wir, dass die Dorfgemeinschaft und das Museum ein riesiges Potential hatten, dies jedoch durch alte Konflikte behindert wurde. In Campen haben wir schnell Anschluss bekommen. Ein kleiner Glühweinempfang zu Weihnachten kam gut an und man begann sich öfter zu treffen. Man kennt uns mittlereweile in Campen.

Wir waren neutral und sahen in der Zusammenführung eine große Chance, das Dorfleben in Campen wieder zu aktivieren. Der zentrale Standort des Museums, die herrliche Kirche und der höchste Leuchtturm Deutschlands so dicht beisammen. Das haben viele andere Dörfer der Krummhörn nicht!

Wie wurden Sie in Campen von den Bewohnern aufgenommen und wie gestaltet sich das Vereinsleben?

Einige Campener*innen sind ja auch noch Verwandte und Bekannte. Die Dame an der Kasse im Museum ist meine Tante – so ist das halt im Dorf. Die anderen Leute nehmen  interessiert daran teil, dass hier etwas passiert. Wir haben im letzten Jahr ein großes Dorffest organisiert und die Resonanz war riesig. Die Anzahl der Vereinsmitglieder „Museumsfrünnen ‚Campen e.V.“ ist mittlerweile um das Zehnfache gestiegen, war allerdings auch einstellig.

Wir suchen immer neue Mitglieder - nicht nur für die Restaurierung alter Trecker, jeder kann sich einbringen!

Wir suchen immer noch händeringend nach weiteren Mitgliedern. Jede Person kann sich mit seinen Fähigkeiten einbringen. Social Media, Personalmanagement, Planung unserer Großveranstaltungen: das Spektrum ist sehr umfnagreich.Wir können einfach nicht alles und freuen uns über jede helfende Hand.

Eine Dame aus Düsseldorf bspw. hilft bei der Personalplanung, ein anderes Mitglied hat eine eigene Druckerei und druckt für uns die Flyer. Andere helfen bei den Ausstellungsstücken usw. Mitglieder im Alter von 6 – 87 helfen hier auf die unterschiedlichste Weise mit. Für 18,- Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr hat man immer freien Eintritt, unter 18 Jahre ist die Mitgliedschaft kostenlos. Wir haben keine festen Zeiten, zu denen jeder erscheinen muss. Jeder kommt, wie er möchte – das neue Schließsystem macht es möglich, dass jedes Mitglied sich einbringen kann, wann immer es möchte und sei es nachts um drei zum Sortieren der Ordner.

Was ist der große Plan für die nächsten Jahre in Campen?

Der nächste wünschnswerte Schritt wäre, zeitnah eine Ausschanklizenz zu erhalten. Das große Gelände des Landwirtschaftsmuseums genau im Zentrum von Campen bietet schöne Flächen für eine Art Biergarten draußen, zumal es in Campen keine weiteren Lokalitäten gibt. Es wäre der ideale Treffpunkt für Gäste und Einheimische. Da können großartige Kontakte geknüpft werden und das Dorfleben und die Gemeinschaft werden wieder gestärkt.

Außerdem soll jedes Ausstellungsstück mit einem Barcode versehen werden, damit wir immer auf dem Laufenden sind, wann etwas gewartet werden muss. Das fängt bei der Milchkanne an  und hört bei der großen Lokomobile auf.

Gibt es einen Hofladen im Landwirtschaftsmuseum? Vielleicht mit Produkten aus der Landwirtschaft und Zusammenarbeit mit hiesigen Bauern?

Wir haben zurzeit einen Museumsladen mit hochwertigen, regionalen Produkten, wie Emailbecher, Spielzeug, Kochbücher einer Campenerin, Honig etc. Sogar die Getränke, die wir flaschenweise verkaufen, kommen aus der Region. Für einen größeren Hofladen fehlen uns die idealen (trockenen) Lagerplätze. Der Großteil unserer Ausstellungsfläche ist zu feucht und nicht der ideale Lagerort. Wir träumen von einer Erweiterung durch weitere Gebäude, in die ein Hofladen integriert werden soll. Dafür gilt es Fördertöpfe zu finden - wir sind ständig auf der Suche nach Fördermitteln, aber das geht immer mit viel Papierkram einher.

Wo lagen die größten Probleme in der Vergangenheit oder vielleicht auch jetzt noch?

Zum 03.01.2023 haben wir mit dem Verein das Museum als Betreibende übernommen. Max Lohmann ist 1. Vorsitzender, Martin Busker 2. Vorsitzender.  Trägerin ist die Gemeinde Krummhörn. Der Beginn war Chaosbewältigung. Das Museum bestand quasi "nur" noch aus den beiden Höfen und den (mit den Hinterlassenschaften vieler Vögel) Ausstellungsstücken: keine Kasse, keine gute Ausleuchtung der Stücke und vielen Gegenständen, die man nicht mehr verwendenn konnte. Die Anfangszeit bestand aus einer Bestandsaufnahme, Aufräum- und Säuberungsarbeiten sowie sehr viel Rechen- und Recherchenarbeit: Welche Stücke gehören dem Museum, welche sind Leihstücke, wo bekommen wir passende Möbel her und wie wird das Ganze inkl. Personal und ehrenamtlichen Helfern versicherungstechnisch abgesichert?

Um regelmäßige Öffnungszeiten an 6 Tagen/Woche gewährleisten zu können, wurden 4 Mitarbeiter*innen eingestellt. Man kann von keinem Mitglied ehrenamtlich verlangen, sich an Wochenenden und Feiertagen an die Kasse zu setzen. Alle haben Familien, daher war schnell klar, dass man festes Personal für die Kassenbesetzung benötigt.

Was sagen Ihre Berliner Freunde und Bekannte zu Ihren Aktivitäten in Campen?

Max hat gerade seinen 30. Geburtstag gefeiert und viele Freunde und Bekannte kamen von weither nach Emden und Campen. Viele waren erstaunt, wie man das pulsierende Leben in Berlin eintauschen kann gegen dieses Landleben. Doch bei vielen Freunden spielt das Thema "Stadtflucht" gerade eine große Rolle. In den Städten trifft man sich mit den Kindern bei dem, der einen Garten hat. Hier hat jeder seinen Garten, Man kennt sich untereinander. Das macht das Leben hier sehr lebenswert, auch wenn die Busse nach Emden nicht viertelstündlich fahren, doch auch das wird besser und wir nutzen den Bus nach Emden, wann immer es geht. Letzte Woche war eine Produzentin hier und wir sind mit ihr mit einem Trecker um das Dorf gefahren und was soll ich sagen? Sie war begeistert!

Zu guter letzt: Wie sieht es bei Ihnen mit der ostfriesischen Küche aus? Speckendicken, Grünkohl mit Pinkel, Tee, Snirtjebraten, Bohntjesopp?

Klingt alles sehr gut, wir trinken hier den ganzen Tag Tee und lieben die ostfriesische Küche!

Tipp am Rand:

Was schenkt man einem Architekten aus Berlin, der nach Ostfriesland "ausgewandert" ist und nun der 1. Vorsitzende des Landwirtschaftsmuseums in Campen ist zum 30. Geburtstag?

Da musste Martin Busker nicht lange überlegen und kaufte einen gut erhaltenen International Harvester Cormick - einen IHC 353. Dieses Prachtstück soll bald mit allen fahrtüchtigen Treckern in der Remise des Landwirtschaftsmuseums stehen. Diese steht zurzeit noch leer!

 

In eigener Sache:

Unser Verein braucht sowohl aktive Mitglieder, die all ihre Talente in den Alltag des Museums einbringen, als auch passive Fördermitglieder. Werden Sie Teil eines vielseitigen Projektes interessanter Menschen von Jung und Alt und treten Sie noch heute ein. Hier geht es zum Anmeldeformular: https://olmc.de/mitgliedschaft/

 

Wir bedanken uns für das nette Gespräch und die Zeit und hoffen auf ein erfolgreiches, gemeinsames Jahr mit vielen, zufriedenen Besuchern und einer intakten Dorf- und Vereinsgemeinschaft!