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Interview mit Herrn Armin Heine vom NLWKN

Sperrwerk Schleuse Leysiel

Anfang Februar: Ich sitze in dem warmen Büro in Greetsiel, der Nieselregen prasselt an die Dachfenster und ich habe gleich den Termin mit Herrn Heine an der Schleuse am Leysiel. Selbst mein überaus sportlicher Kollege und Naturbursche Marc würde heute mit dem Auto fahren.... versichert er mir und raubt mir mein schlechtes Gewissen, die 8 km nicht mit dem Rad zu fahren!

Kurz darauf mache ich mich auf den Weg und fahre in Richtung unseres Wahrzeichens - dem Pilsumer Leuchtturm, unserem Lükko! Obwohl ich am Deich in die entgegengesetzte Richtung zur Schleuse fahren muss, schaue ich doch noch zu Lükko hinüber. Selbst bei diesem "Schietwedder" verliert er nichts von seiner Anziehungskraft - ist sogar gut besucht. Eben ein Star durch und durch!

Herr Heine hat die Schranke am Deich geöffnet und so fahre ich rechts in Richtung Schleuse Leysiel das ganze Stück am Deich entlang - herrlich! Links streiten sich zwei Möwen um eine undefinierbare Beute. "Ein Fischbrötchen oder eine Eiswaffel ist es sicher nicht", denke ich noch und sehne mich nach dem Sommer...

Nach einigen Kilometern sehe ich schon das ca. 120 Meter lange Sperrwerk, das auch gleichzeitg Siel und Seeschleuse ist und seit 1991 dafür sorgt, dass der Greetsieler Hafen tideunabhängig und die Fischerei- und Sportboote die Nordsee fast unabhängig von Ebbe und Flut erreichen können.

Ein Grund meines Besuches sind die aktuellen Wartungsarbeiten an der Schleuse, die normalerweise alle 2 Jahre vorgenommen werden. Dafür "geht man der Sache mal auf den Grund" und pumpt die Schleuse leer. Anschließend wird eine Treppe in die 14 Meter breite Schleusenkammer eingebaut und der Boden der Schleuse wird gereinigt, vom Unrat befreit und die wichtigen "Opferanoden", die den Rost fernhalten sollen, werden ausgetauscht. Auch der Korrisionsanstrich und die Ausbesserung der Schutztore sowie die Funktionskontrollen der Stemmtore und die Sichtkontrollen des Betons stehen auf dem Programm.

Als ich den Deich wieder zur Schleuse hochfahre und einen Blick in beide Richtungen der Schleuse werfe, bin ich tief beeindruckt. Ich stelle das Auto ab und schaue auf der einen Seite auf die Nordsee und auf der anderen Seite blicke ich ganz weit in die Tiefe in die leere Schleuse. Beim schnellen Foto wäre mir fast das Handy aus der Hand gerutscht - so eindrucksvoll ist der Blick in die Tiefe und dahinter der Seeweg in Richtung Greetsiel!

Warm eingepackt kommt mir Herr Heine vom NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) entgegen. Glücklicherweise bittet er mich rein, so dass wir unser Interview nicht showreif am Abgrund halten müssen.

Armin Heine hat heute die "Pressetermine" für Herrn Reenhold Poppinga, den eigentlichen Schleusenwärter, übernommen. Herr Poppinga hat während der Wartungsarbeiten keine Zeit für Interviews und Herr Heine gab mir freundlicherweise schnell eine Zusage, mir einige Fragen direkt am Leysiel zu beantworten.

Herr Heine ist Aufgabenbereichsleiter für das Emssperrwerk in Gandersum (hier fahren auch die Kreuzfahrtschiffe der Meyer-Werft in Papenburg durch) und das Sperrwerk am Leysiel. Dafür hat er studiert, ist nun Wirtschaftsingenieur und seit 2012 beim NLWKN. Er kommt aus Friedrichsfehn bei Oldenburg und hat in Oldenburg studiert - also ein echter "Ostfriesenjung".

Wieviele Schiffe - und sind dies meist Kutter? - werden täglich geschleust und was kostet eine Schleusung?

In den letzten Jahren sind ca. 5 - 6.000 Schiffe nach und aus Greetsiel heraus  geschleust worden, natürlich vorwiegend Fischkutter. Das Schleusen ist für die Kutter und auch für die anderen Sportboote kostenlos. Dabei besteht die Möglichkeit drei Stunden vor - und vier Stunden nach dem Nordseehochwasser zu schleusen. Man muss also immer noch auf die Tiden achten. Wir können ja schlecht ein Schiff schleusen und dann ins trockene Watt schubsen!

Ab der Schleuse in Richtung Greetsiel mussten die Kapitäne in den letzten Jahren ihr Gewässer genau kennen und auf verschlammte Stellen achten. Dieser Schlamm wurde letztes Jahr wieder ausgebaggert und man rechnet dadurch in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Schleusungen auf ca. 10.000 pro Jahr.

Wie lange dauert es, bis die Schleuse ganz leer gepumpt ist und das anschließende Vollaufen lassen genau so lange? Was machen die Kutter in der Zeit?

Wir haben nachmittags die Pumpen eingeschaltet und am nächsten Vormittag war die Schleuse leer, also ca 12 - 15 Stunden. Das Volllaufen geht schneller, aber auch hier können wir nicht einfach bei Hochwasser die Tore aufstellen und das Wasser unkontrolliert mit voller Wucht gegen die Tore prallen lassen.

Geplant sind drei Wochen Schließung, aber wir versuchen natürlich, die Wartungsarbeiten so schnell wie möglich zu beenden, damit die Fischer wieder rausfahren können. Für den Notfall gibt es 2-3 Außenplätze vor der Schleuse, falls ein Schiff auch während der Zeit der Schließung rausfahren muss, bspw. für eine Reparatur o.ä.

Haben Sie am Boden schon außergewöhnliche Funde neben Schlick und Muscheln gehabt?

Oh ja! Bei diesen Wartungen finden wir regelmäßig Anker, wobei wir meist schon vorher Meldungen bekommen, wem die Anker gehören. Neben den Ankern finden wir haufenweise Handys - wahrscheinlich von missglückten Selfies ("kann ich nachvollziehen", denke ich).

An den Wänden sind meist Muscheln und Seepocken (eine Krebsart). Vor einigen Jahren hatten wir ungewöhnlich viele Austern. Für die Wartungstaucher nicht ungefährlich, da die scharfen Austern die Taucheranzüge quasi aufschlitzen könnten.

Ist in der Schleuse schon einmal etwas passiert? Haben Sie und die Mitarbeiter alle einen Bootsführerschein, um notfalls das Boot rein- oder raus aus der Schleuse zu fahren?

Zum Glück ist noch nichts Dramatisches passiert. Unerfahrene Bootsfahrer sind schon zu schnell in die Schleuse gefahren und gegen das Tor geknallt. Letztes Jahr ist jemand mit hoher Geschwindigkeit in den Siellauf gefahren. Der wurde noch an Ort und Stelle in Gewahrsam genommen. Unsere Mitarbeiter haben das Schiff geschleust und nach Greetsiel gebracht, glücklicherweise haben wir alle einen Bootsführerschein. Mittlerweile wurde das Boot mit einem Trailer abgeholt und der vermeintliche Kapitän, der sich noch wochenlang in Greetsiel aufhielt und durch sämtliche Presse geisterte, ist abgereist. Ob er sich nun auf seiner überall angekündigten Weltumrundung mit seinem Schiff befindet, ist unbekannt!

Von unserem Interviewraum schaue ich an Herrn Heine vorbei und "entdecke" eine kleine Insel! Was ist das für eine Insel und ist sie zufällig entstanden?

Nein, diese kleine Insel ist tatsächlich geplant gilt als Brutort für viele Vogelarten. Hier besteht keine Bedrohung durch Füchse oder ähnliche "Eier- und Nestdiebe". Ab und zu werden Mitarbeiter vom NABU (Naturschutzbund) von uns dorthin geschippert, damit sie dort wuchernde Pflanzen stutzen können. Ich stelle fest, dass der Ort, an dem ich gerade sitze, wunderschön für eines unserer "Zweiten Eheversprechen" wäre. Man schaut raus aufs Wasser auf die kleine Insel und im Sommer kommt sicher der ein- oder andere Kutter in die Schleuse gefahren. Wie idyllisch!

Als wir zurück zum Parkplatz laufen, kommt uns schon der NDR mit einem Fernsehteam entgegen. Danach kommt noch die lokale Presse! Schon spannend so ein leeres Sperrwerk - finden nicht nur wir!

Wir bedanken uns noch einmal ganz herzlich bei Herrn Heine und dem NLWKN für die Zeit und die Bereitschaft, unsere Fragen für unsere Gäste zu beantworten. Herr Heine hat einen Großteil der Fotos gemacht und uns zur Verfügung gestellt. Ich war heilfroh in dem "Handy-Bermuda-Dreieck" und dem ausladenden Wetter wieder die Fahrt ins Büro antreten zu dürfen!